24/10/2024 0 Kommentare
Solche Arbeit war ein heißes Stück
Solche Arbeit war ein heißes Stück
# Angedacht

Solche Arbeit war ein heißes Stück
Am Ankunftstag wurden wir 2020 im Oktober im Urlaub in Südtirol mit der Einladung empfangen, Esskastanien im Hof mit zu genießen. Die wurden in der Glut im Feuer in einem pfannenartigen Gefäß geröstet. "Keschtn" (Kastanien) gehören mit ihrem markig-nussigen Geschmack und gesundheitlich fördernden Inhaltsstoffen bis heute in Südtirol zum Herbst wie Speck und neuer Wein.
Über Jahrhunderte war besonders in den mitteleuropäischen Gebirgen die Kastanie kein abendlicher Urlaubssnack, sondern buchstäblich ein Lebensretter, das Brot der Armen. In der Tat wurde aus dem Mehl auch Brot gebacken und viele lebten im Herbst und Winter von Kastanien.
Um sie aus der schwarz gewordenen Hülle zu schälen und zu verspeisen, musst du aber die Kastanien aus dem Feuer holen. Und "solche Arbeit ist ein heißes Stück", wie besonders der Kater in einer Fabel von Jean de la Fontaine bemerkt. Der Kater verbrennt sich nämlich dabei die Pfoten, während der Affe ohne zu teilen die geangelten Früchte auffrisst. De la Fontaine selbst deutet an, dass die Fabel auch die Frustration mancher Prinzen in den Provinzen illustriert, die sich, stolz auf ihr Amt, für den König im übertragenen Sinne die Pfoten verbrennen, weil sie die unangenehmen Aufgaben lösen und die Kastanien aus dem Feuer holen.
Kennen Sie, kennt ihr solche Katerstimmung auch? Du warst bereit, die heikle Sache anzugehen für andere und bekommst den Ärger wie Feuer ab, ziehst dir Wunden zu und wer dankt es dir? Vielleicht verbrennst du dir gar den Mund, weil du kritisch ansprichst, wozu alle schweigen. Wie blöd oder gutmütig kann man sein.
An Tierfabeln sollten Menschen auf unterhaltsame Weise etwas lernen. Wenn man aber weiß, dass Kastanien auch das Brot der Armen sind, sollten wir uns erinnern lassen: Tu deinen Mund auf für die Stummen und für die Sache aller, die verlassen sind. Tu deinen Mund auf und richte in Gerechtigkeit und schaffe Recht dem Elenden und Armen. (Sprüche Salomos 31, 8+9) D a s wäre auf andere Weise fabelhaft.
Dietmar Schmidt-Pultke, Pfarrer
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